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Credits: Yvo Cho

HAIQING WANG
True Story & Other Stories…


eingeladen von | invited by IHSAN ALISAN


06.09. – 25.10.2025



deutsch | english below


Die Einzelausstellung True Story & Other Stories… von Haiqing Wang erkundet die fließenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion, Rollenspiel und Inszenierung. Im Zentrum steht A Drop of Crocodile’s Tears, ein Film, der den Casting-Prozess einer queeren chinesischen Regisseur*in für eine inszenierte Hochzeit dokumentiert – ein fiktiver Akt, der sich zu einer emotionalen Probe für das echte Leben wandelt.
Ergänzt wird der Film durch True Story, eine sich fortlaufend verändernde Installation alltäglicher Objekte, die von der Wand der Wohnung der Künstler*in stammen. In den Ausstellungsraum übertragen, verwischen diese Dinge die Grenze zwischen Leben und Präsentation und formen ein vielschichtiges Selbstporträt, in dem das Zuhause zum Archiv wird und das Archiv zur Identität.
Gemeinsam eröffnen diese Arbeiten einen fragilen, emotionalen Schwellenraum, in dem Geschichten aufgeführt, vervielfacht und fortgeschrieben werden.

Haiqing Wang (geb. 1994, China) hat kürzlich ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschülerin von Prof. Dominique Gonzalez-Foerster abgeschlossen.
In ihrer Arbeit, die Schreiben, Film, Sound, Performance und räumliche Erfahrungen umfasst, konstruiert sie aus Fragmenten von Erinnerungen, Literatur und gesellschaftlichen Ereignissen fiktionale Szenarien, um den Zwischenraum von Imagination und Realität zu erkunden.

Ihre Arbeiten und Performances waren zuletzt zu sehen in der Julia Stoschek Foundation (Düsseldorf, 2025), im Schloss Moyland (Kleve, 2024), im Shanghai Duolun Museum of Modern Art (Shanghai, 2024) sowie in der A.P.T. Gallery (London, 2024).


english


The solo exhibition True Story & Other Stories… by Haiqing Wang explores the shifting borders between reality and fiction, role-play and pretense. At its core is A Drop of Crocodile’s Tears, a film documenting a queer Chinese director’s casting process for a staged wedding—a fictional act that becomes an emotional rehearsal for real life.
Complementing the film is True Story, an evolving installation of daily objects selected from the artist’s apartment wall. Transposed into the exhibition space, these objects blur the line between life and display, creating a layered self-portrait where home becomes archive, archive becomes identity.
Together, these works open a fragile, emotional, liminal space where stories are performed, multiply, and continue.

Haiqing Wang (b. 1994, China) recently graduated from Kunstakademie Düsseldorf as Meisterschülerin (master student) of Prof. Dominique Gonzalez-Foerster.
Working across writing, film, sound, performance, and spatial experiences, she constructs fictional scenarios from fragments of memory, literature, and social events to explore the space between imagination and reality.

Her work and performances have recently been presented at the Julia Stoschek Foundation (Düsseldorf, 2025), Schloss Moyland (Kleve, 2024), Shanghai Duolun Museum of Modern Art (Shanghai, 2024), and A.P.T. Gallery (London, 2024).


Gefördert von | With support of:
kulturamt




english below


Was ist der Unterschied zwischen innen und außen? Können Grenzen oder Mauern etwas definieren, trennen, schützen oder verbergen? Oder ist letztlich alles porös, unaufteilbar, unvermeidlich fluid?

Haiqing Wang untersucht die unendlichen Szenarien, die sich um uns herum abspielen, und die Vielzahl an Deutungen, die ihnen von Individuen wie von kollektiven Entitäten gegeben werden. Im Rahmen eines Films – seines Settings, seiner Besetzung und seiner Requisiten – lädt die Künstlerin uns ein, in unsere eigenen inneren Szenerien einzutauchen und zu erkunden, was sie über unsere persönliche Architektur offenbaren könnten.

Mit der ätherischen Präsenz diskreter Protagonist*innen zeigt sie, wie andere uns formen und beeinflussen. Und da „Ich ist ein Anderer“ (Rimbaud), fordern die Werke uns dazu auf, den Einfluss unserer eigenen Erwartungen und psychologischen Projektionen auf unsere innere Konstruktion zu bedenken. True Story & Other Stories… thematisiert zugleich die Auflösung der Rolle der Künstlerin – als Autorin, als Schauspielerin, als Subjekt – in den unbestimmten Status des Werks zwischen Fiktion und Nicht-Fiktion.

In Haiqings Installation scheinen konkrete wie immaterielle Orte allmählich zu zerfallen und sich zugleich neu zu fügen, um einen vagen, aber großzügigen Raum zu bilden, in dem sich diese Vorstellungen erfassen lassen. Maßstäbe überlagern sich und eröffnen verschiedene Perspektiven: eine innere (Ready-made-Skulpturen), eine äußere (reduziertes Modell), eine allwissende (Film)… Tatsächlich vervielfältigt ihre Arbeit Zwischenräume – Zonen des Schwebezustands, des Ungleichgewichts, wie eine Probe: vor dem Film, vor der Hochzeit, vor der Bindung. Daraus ergeben sich unweigerlich auch Vorstellungen von Verschiebung, von Körpern, von Blicken und ihren Wirkungen auf das Verhältnis des Einzelnen zu Raum, Zeit und Gesellschaft – und sie provozieren die notwendige Schaffung neuer Ankerpunkte ex nihilo in einer unbekannten Landschaft.

Wie lässt sich versuchen, die eigene Erzählung in einem neuen Umfeld zu komponieren und zu transformieren, ohne dabei konstitutive Teile der Identität zu unterminieren, die in einer anderen Raum-Zeit verankert sind?

– A. Anstett


Adèle Anstett ist Kuratorin und Kritikerin mit Abschlüssen aus Lausanne, der Sorbonne Nouvelle und der École des Beaux-Arts de Paris. In ihren Projekten und Texten untersucht sie die Dynamiken unserer Umwelt sowie die Handlungsmacht kultureller und künstlerischer Akteur*innen.


english


What is the difference between in and out? Can borders or walls define, separate, protect or hide anything? Or is everything porous, impossible to split, inevitably fluid ?

Haiqing Wang explores the endless scenarios that are taking place around us and the multitudes of interpretations given by individuals and collective entities. Using the frame of a movie, its set, its casting and furniture, the artist invites us to delve into our own intimate sceneries and what they might reveal about our personal architecture.

With the ethereal presence of discreet protagonists, she reveals how others shape and influence us. And becausen“I is Somebody Else” (Rimbaud), the works invite us to consider the impact of our own self-expectation and psychological projections on our inner construction.True Story & Other Stories… also presents the dissolution of the artist’s role–as author, as actress, as subject–into the unresolved status of the work between fiction and nonfiction. 

In Haiqing’s installation, concrete and immaterial locations seem to decompose gradually and come together to form a vague but generous space to grasp these notions. Scales merge, allowing for a variety of perspectives: internal (found-object sculptures), external (reduced model), omniscient (film)… In fact, her work multiplies in-between spaces: where things are held in balance and indecision, like a rehearsal–before a film, before a marriage, before commitment. Thus, there are of course the notions of displacement, of bodies, of gaze and their effects on one’s relationships to space, time and society, provoking the necessary creation, ex nihilo, of new anchors into an unknown landscape.

How can one attempt to compose and transform one’s own narrative in a new backdrop without undermining constitutive parts of their identity rooted in another space-time?

– A. Anstett


Adèle Anstett is a curator and critic with degrees from Lausanne, Sorbonne Nouvelle, and Beaux-Arts de Paris. Her projects and writings explore the dynamics of our environments as well as the agency of cultural and artistic practitioners.


Courtesy and copyright: Haiqing Wang & Mouches Volantes.
Photos: Dirk Rose

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