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Credits: Selin Davasse

SELIN DAVASSE
Corpus Iuris Artis:
I. The Deposition


Kuratiert von | curated by soft power
Eingeladet von | invited by IHSAN ALISAN


28.06. – 09.08.2025



deutsch | english below


Ausgehend von einem fiktiven Kunstgesetzbuch inszeniert Selin Davasse in Corpus Iuris Artis einen mehrteiligen Ausstellungs- und Performance-Zyklus. In humorvoll-kritischer Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen der Kunstwelt untersucht sie, was heute als ethische künstlerische und kuratorische Praxis gilt. Dabei verbindet sie performative und juristische Logiken zu einer spekulativen Gerichtsverhandlung, in der sie selbst alle Rollen übernimmt: Anklage, Verteidigung, Zeugin, Richterin. Die Performance wird auf englisch sein.

Der erste Teil The Deposition bei Mouches Volantes versammelt Videoarbeiten und eine Performance, in denen angebliche „Vergehen“ wie Tugendsignalisierung oder Tokenisierung verhandelt werden. Die Ausstellung ist Teil eines wachsenden Zyklus, der mit The Hearing (soft power, Berlin, ab 29.8.2025) und The Appeal (mit Pickle Bar, Berlin, im September) fortgesetzt wird.

Selin Davasse (geb. 1992 in Ankara) ist eine in Berlin lebende Performancekünstlerin. Sie nutzt verschiedene textuelle und performative Techniken, um über die Ethik der Begegnungen zwischen einer bestialischen weiblichen Fremden, einem heterogenen Publikum und den Institutionen, in denen sie aufeinandertreffen, zu spekulieren. Sie verkörpert verschiedene narrative Identitäten – jede mit ihrer eigenen Syntax, Stimme, Gestik und Körperhaltung – und übersetzt Denksysteme in intime und spielerische Äußerungen, die zwischen Sprache und Gesang oszillieren und eine poröse und instabile Beziehung zum Publikum eingehen. Ihre Arbeiten wurden international präsentiert, u.a. auf der 60. Venedig Biennale (2024), im Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art, Warschau (2024), bei Art Asia Now in Paris (2023), steirischer herbst, Graz (2023); Pirelli HangarBicocca, Mailand (2023); Institute for Contemporary Arts, London (2023); Art Encounters Biennial, Timișoara (2023); Kunsthalle Bratislava (2022); Škuc Gallery, Ljubljana (2022); Wiener Festwochen (2022); MEDITERRANEA19 Young Artists Biennale, San Marino (2021); Volksbühne, Berlin (2021); KW Institute for Contemporary Art, Berlin, (2021).

soft power ist ein unabhängiger Kunstraum und kuratorisches Projekt von Eva Herrmann und Linnéa Bake in Berlin, das sich kritisch mit dem Begriff der „soft power“ beschäftigt – und künstlerische Strategien entwickelt, um seine Bedeutungen neu zu denken.


english


Starting from a fictional art penal code, Corpus Iuris Artis unfolds as a multi-part exhibition and performance cycle by Selin Davasse. With a humorous yet critical approach to power structures in the art world, she explores what constitutes ethical artistic and curatorial practice today. Merging performative and legal logics into a speculative courtroom setting, Davasse plays all roles herself: prosecution, defense, witness, and judge.

The first part, The Deposition at Mouches Volantes, features video works and a performance that investigate alleged offenses such as virtue signaling or tokenization. The exhibition is part of an ongoing series that continues with The Hearing (soft power, Berlin, opening August 29, 2025) and The Appeal (with Pickle Bar, Berlin, in September).

Selin Davasse (b. 1992, Ankara) is a Berlin-based performance artist. She repurposes various textual and performative techniques to speculate on the ethics of hospitality between a bestial feminine stranger, a heterogeneous public and the institutions framing their encounter. Embodying different narrative selves—each with her own syntax, voice, gestures, and postures—she translates systems of thought into intimate and playful utterances that slip between speech and song, forming a porous and unstable relationship with the viewer. Her works have been presented at the 60th Venice Biennale (2024); Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art, Warsaw (2024); Art Asia Now, Paris (2023); steirischer herbst, Graz (2023); Pirelli HangarBicocca, Milan (2023); Institute for Contemporary Arts, London (2023); Art Encounters Biennial, Timișoara (2023); Kunsthalle Bratislava (2022); Škuc Gallery, Ljubljana (2022); Wiener Festwochen, Vienna (2022); MEDITERRANEA19 Young Artists Biennale, San Marino (2021); Volksbühne, Berlin (2021); KW Institute for Contemporary Art, Berlin, (2021).

soft power is an independent art space and curatorial project based in Berlin run by Eva Herrmann and Linnéa Bake. It critically engages with the notion of "soft power" and develops artistic strategies to subvert, challenge, and rethink its meanings.


Gefördert von | With support of:
kulturamt




english below


Basierend auf einem fiktiven Rechtssystem und dessen grundlegendem Strafgesetzbuch entfaltet sich Corpus Iuris Artis als Ausstellungs- und Performancezyklus, in dem Selin Davasse eine neue Werkreihe präsentiert, die hinterfragt, kodifiziert, institutionalisiert und vor Gericht stellt, was heute eine ethische künstlerische oder kuratorische Praxis ausmacht. Dieses „Strafrecht“ für die Kunstwelt legt Verstöße unterschiedlichen Umfangs und Schweregrads sowie mögliche Verteidigungsstrategien dar. Auf humorvolle und selbstkritische Weise nähert sich das Projekt den Mechanismen und Machtverhältnissen innerhalb der Kunstwelt und thematisiert Fragen der sozialen Verantwortung, Rechenschaft und (Selbst-)Zensur – wobei es zugleich auf den performativen Charakter und die Fragilität von Rechtssystemen verweist. In spielerischer Annäherung an Rechtsnormen, Instrumente und Verfahren, die Gerechtigkeit in der Kunstwelt schaffen könnten, spekuliert Davasse darüber, wie diese Werkzeuge und Prozesse in typischen professionellen Szenarien umgesetzt werden würden. Indem die Künstlerin die Rollen der verschiedenen beteiligten Parteien einnimmt – Anklage und Verteidigung, Befragende und Zeugin, Jury und Richterin – fordert sie unsere jeweils eigene Position heraus; unsere Aufrichtigkeit und Wahrheitstreue, unsere Mitschuld und Verantwortung. Denn schließlich gilt: ignorantia iuris non excusat („Unkenntnis des Gesetzes entschuldigt nicht“).

Corpus Iuris Artis: I. The Deposition bei Mouches Volantes spielt den ersten Schritt dieses imaginären Rechtsprozesses durch: Ein vorgerichtliches Verfahren, in dem Beweise für mutmaßliche Straftaten wie „Betrügerisches und verwerfliches Virtue Signaling“ oder „Vorsätzliche und verwerfliche Tokenisierung“ gesammelt werden. In dieser rhetorischen Spiegelzelle werden Zeug*innen sowohl von der Anklage als auch von der Verteidigung befragt, die in drei Videoarbeiten und einer Performance gleichermaßen von Davasse verkörpert werden. Während sich der Begriff „Deposition“ auf Terminologie des US-amerikanischen Justizsystems bezieht – und dabei dessen notorischen Einfluss auf popkulturelle Adaptionen von „Gerichtsdramen“ kommentiert –, beschreibt die Deposition im erweiterten Sinne die Handlung, jemanden abzusetzen oder zu entthronen. Ein Hinweis auf die möglichen Folgen, die diese erste Befragungsrunde für die Angeklagten haben kann, wenn im weiteren Verlauf keine Schlichtung und keine Einigung über ein Geständnis erzielt werden kann.

Selin Davasses Ausstellung Corpus Iuris Artis: II. The Hearing eröffnet am 29.08.25 bei soft power in Berlin und läuft bis zum 14.09.25. Ihre Performance Corpus Iuris Artis: III. The Appeal wird im September 2025 mit Pickle Bar in Berlin präsentiert.

Im Rahmen der Ausstellung bei Mouches Volantes erscheint eine neue Edition:
Selin Davasse - Codex Iuris Artis § 213.2. DELIBERATE AND DEPRAVED TOKENIZATION
29,7 x 21 cm, Ed. von 20 + 2 AP

Selin Davasse (geb. 1992 in Ankara) ist eine in Berlin lebende Performancekünstlerin. Sie nutzt verschiedene textuelle und performative Techniken, um über die Ethik der Begegnungen zwischen einer bestialischen weiblichen Fremden, einem heterogenen Publikum und den Institutionen, in denen sie aufeinandertreffen, zu spekulieren. Sie verkörpert verschiedene narrative Identitäten – jede mit ihrer eigenen Syntax, Stimme, Gestik und Körperhaltung – und übersetzt Denksysteme in intime und spielerische Äußerungen, die zwischen Sprache und Gesang oszillieren und eine poröse und instabile Beziehung zum Publikum eingehen. Ihre Arbeiten wurden international präsentiert, u.a. auf der 60. Venedig Biennale (2024), im Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art, Warschau (2024), bei Art Asia Now in Paris (2023), steirischer herbst, Graz (2023); Pirelli HangarBicocca, Mailand (2023); Institute for Contemporary Arts, London (2023); Art Encounters Biennial, Timișoara (2023); Kunsthalle Bratislava (2022); Škuc Gallery, Ljubljana (2022); Wiener Festwochen (2022); MEDITERRANEA19 Young Artists Biennale, San Marino (2021); Volksbühne, Berlin (2021); KW Institute for Contemporary Art, Berlin, (2021).

soft power ist ein kuratorisches Projekt und Kunstverein in Berlin. Konzeptuell eignet sich soft power einen politischen Begriff an, der den Einfluss von Kultur und Kunst (als sogenanntes „weiches“ Kapital) auf Politik und Wirtschaft beschreibt und benutzt. In ihrer laufenden Zusammenarbeit seit 2021 gehen die künstlerischen Leiterinnen Eva Herrmann und Linnéa Bake der Fragestellung nach, wie dieser Begriff produktiv unterwandert, herausgefordert und dessen Potenzial aus diversen künstlerischen Perspektiven angeeignet werden kann.


Mit freundlicher Unterstützung von Folira GmbH


english


Based on a fictional legal system and its foundational penal code, Corpus Iuris Artis unfolds as an exhibition and performance cycle, in which Selin Davasse presents a new body of works questioning, codifying, institutionalizing, and putting on trial what constitutes ethical artistic or curatorial practice today. This “body of law” for the art world lays out offenses with varying scope and severity, as well as possible defenses. Approaching the mechanisms and power dynamics within the art world in a humorous and self-critical tone, the project addresses issues of social responsibility, accountability and (self-)censorship – while equally nodding to the performative nature of law and the frail state of legal systems. In a playful attempt at imagining which legal norms, instruments and procedures could bring about art-world justice, Davasse speculates on how these tools and processes would be implemented in common professional scenarios. As the artist adopts the roles of the various parties involved – prosecution and defense, interrogator and witness, jury and judge – she challenges our own respective positions; our sincerity and truthfulness, complicity and liability. After all, ignorantia iuris non excusat (“ignorance of the law does not absolve”).

Corpus Iuris Artis: I. The Deposition at Mouches Volantes plays out the first step of this imagined legal process: A pre-trial discovery process where evidence about alleged offenses, such as “Deceitful and Depraved Virtue Signaling” or “Deliberate and Depraved Tokenization”, is gathered. Within this rhetorical mirror cell, witnesses are questioned by both the prosecution and defense teams, simultaneously embodied by Davasse in three video works and a performance. While the “deposition” directly refers to terminology from the US justice system – and its notorious influence on pop-cultural adaptations of “courtroom drama” –, the term more broadly describes the action of deposing, or dethroning, someone. A hint at the possible consequences that this initial round of questioning may bring for the accused as the cycle further unfolds, if no arbitration is possible and no plea deal can be reached.

Selin Davasse’s exhibition Corpus Iuris Artis: II. The Hearing opens on 29.08.25 at soft power in Berlin and runs through 14.09.25. Her performance Corpus Iuris Artis: III. The Appeal will be presented in September 2025 in Berlin with Pickle Bar.

As part of the exhibition at Mouches Volantes, a new edition will be available: Selin Davasse - Codex Iuris Artis § 213.2. DELIBERATE AND DEPRAVED TOKENIZATION 29,7 x 21 cm, ed. of 20 + 2 AP

Selin Davasse (b. 1992, Ankara) is a Berlin-based performance artist. She repurposes various textual and performative techniques to speculate on the ethics of hospitality between a bestial feminine stranger, a heterogeneous public and the institutions framing their encounter. Embodying different narrative selves—each with her own syntax, voice, gestures, and postures—she translates systems of thought into intimate and playful utterances that slip between speech and song, forming a porous and unstable relationship with the viewer. Her works have been presented at the 60th Venice Biennale (2024); Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art, Warsaw (2024); Art Asia Now, Paris (2023); steirischer herbst, Graz (2023); Pirelli HangarBicocca, Milan (2023); Institute for Contemporary Arts, London (2023); Art Encounters Biennial, Timișoara (2023); Kunsthalle Bratislava (2022); Škuc Gallery, Ljubljana (2022); Wiener Festwochen, Vienna (2022); MEDITERRANEA19 Young Artists Biennale, San Marino (2021); Volksbühne, Berlin (2021); KW Institute for Contemporary Art, Berlin, (2021).

soft power is an independent art space and a curatorial project, critically appropriating with its name a political term that describes and uses the influence which “soft” assets such as culture and art can have on political and economic spheres. In their ongoing collaboration (since 2021), artistic directors Eva Herrmann and Linnéa Bake are working on critically examining “soft power” as a conceptual framework through curatorial research, practice, teaching and writing – guided by the question how this ambiguous notion can be productively subverted, challenged and reclaimed from various artistic perspectives.


With the kind support of Folira GmbH


Courtesy and copyright: Selin Davasse & Mouches Volantes.
Photos: Dirk Rose

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